zwischen den jahren / zwischen den zeilen
sich zeit nehmen / nicht schnell lesen
sondern verweilen, eintauchen, mitnehmen

zwölf jahre. ein dutzend. keine runde zahl aus nostalgie, sondern ein rhythmus, der sich schließt. von november zu november gedacht, diesmal erst im dezember geschrieben, weil das leben lauter, dichter war als ich hier im rückblick kondensieren kann. zu viele klänge, zu viele wege, zu viele körper in bewegung. und doch ist es wichtig, diesen moment festzuhalten: der abschluss eines zyklus, nicht als ende, sondern als übergang. ich stehe darin, wie so oft, nicht still, sondern in bewegung, getragen vom schillernden licht der musik, das mich durch dieses jahr geführt hat – auch durch die kälteren stellen.

der jahresanfang setzt sofort ein zeichen. JANUAR beginnt nicht leise, sondern mit resonanz: bLuzLand, mein viertes album, wird nominiert für den PREIS DER DEUTSCHEN SCHALLPLATTENKRITIK, kategorie GRENZGÄNGE. ein wort, das passt, weil es genau dort liegt, wo sich diese musik seit jahren bewegt: zwischen sprachen, zwischen kulturen, zwischen stillstand und haltung. kurz darauf blickt die kamera ganz nah hin. im SWR, in der reihe HANDWERKSKUNST, gleitet ein makroobjektiv genüsslich über die testplatte von bLuzLand. WIE MAN EINE SCHALLPLATTE MACHT – material, rillen, haptik. musik nicht als flüchtiger stream, sondern als etwas, das bleibt, das man anfassen kann.

mitte januar dann die kälte. minus drei grad. vollmond. ein see mit eisschollen. SHOOTING STAR. julakim steigt ins wasser, taucht unter, übersetzt die aggression, die destruktion, das verglühen der sternschnuppe an den mond. der körper wird zum übersetzer kosmischer spannung. die kamera von HÜSEYIN ASLAN fängt das cinematisch ein: ruhig, präzise, ohne drama – und gerade dadurch so stark. kurz darauf das gespräch bei RADIO X im OffSpace: sprachen wechseln, songs werden live gesungen, bLuzLand wird erklärt, ohne erklärt zu werden. marc rodrigues hört genau hin. aus diesem gespräch wächst bereits der nächste raum: die einladung zum LusOFest 2026, solo-sets als rahmenprogramm zwischen filmen, zwischen wim wenders’ LISBON STORY und mittellangen wettbewerbsfilmen. musik rahmt bilder, bilder rahmen musik. und vor allem: mein kurzfilm COCA-VELA läuft als vorfilm bei wim wenders – ein klarer blick auf ausbeutung, auf strukturen, auf rio de janeiro, das für mich nie exotisch ist, sondern realität.

FEBRUAR. der releasemarathon bLuzLand findet seinen abschluss: SHOOTING STAR erscheint. zwölf songs sind draußen, ein zyklus schließt sich, auch wenn ein video erst im sommer nachfolgen wird.“SHOOTING STAR weist auf die gefährliche Fragmentierung unserer Wahrnehmung hin, in der ein und dasselbe Ereignis von verschiedenen Menschen oft völlig unterschiedlich interpretiert wird, je nach deren Illusionen und Überzeugungen. Der Song lädt dazu ein, kritisch zu hinterfragen, was wir als Realität akzeptieren, und zu erkennen, wie sehr unsere Sprache und unsere Wahrnehmung unser Bewusstsein prägen.” schreibt NenesButler im Artikel REISE ZUR INNEREN FREIHEIT.

und dann: der 8. februar. bündnis gegen rechts. 10.000 menschen. julakim eröffnet die demo, steht auf dem wagen, fährt bis zum friedensplatz, ihre stimme trägt durch die innenstadt. vielfalt, offenheit, bewegung – keine abstrakten worte, sondern gelebte praxis. danach braucht es pause. erholung am mittelmeer. züge, landschaften, vorbeiziehende felder und kulturen. migration als thema, aber mehr noch: bewegung. das unterwegssein als zustand. am 27. februar, nachts, eine eingebung. ein neuer liedtext entsteht, und mit ihm ein zwischenlogo: bLuzWAi. bLuz bleibt, aber der WEG wird sichtbar. der weg als teil des namens, als grafische spur, als richtung. eigentlich stand es mal für Was Auch Immer :) aber als das logo so plötzlich da war, stand da WAY:

MÄRZ bringt fokus und spiel. am 8.3., feministischer kampftag, wird AUS DEM WEG gefilmt – genau jener text, der wenige tage zuvor entstanden ist. „geh mir doch einfach aus dem weg, kleiner geist.“ klar, verspielt, bestimmt. musik als aufforderung, platz zu machen. am 18.3. dann das gespräch im podcast 130 UND MEHR: kulturen, vielsprachigkeit, musik und architektur, westafrika, projekte, die nicht nur klingen, sondern verändern wollen. im selben monat noch bin ich cover girl des MIND MAG. sichtbarkeit auf dem titelblatt. das quartal endet am meer. nicht rio de janeiro, sondern nordsee. wind, horizont, gedanken zu bewegung. das wasser als wiederkehrendes element. kein ankommen, sondern ausrichten.

APRIL öffnet sich nach südamerika. bLuzLand geht auf release-tournee, brasilien und argentinien, zehn konzerte, dazu radio, video, begegnungen. ich bin unterwegs zwischen SANTO ANDRÉ, SÃO PAULO, RIO, BUENOS AIRES. clubs, bars, kulturzentren. bar do pancho, mustache, cerne cervejas, sebo baratos in BOTAFOGO, el surco, casa colombo, antiguas lunas y el gato negro, strummer bar, florida vicente lopes. namen wie haltestellen eines inneren films. die lieder wandern mit mir, verändern sich von raum zu raum, von körper zu körper. bLuzLand atmet anders hier, direkter, wärmer, mit dieser selbstverständlichen offenheit, die ich an diesen orten so liebe. medien begleiten die reise, radios, online-formate, kamera und mikrofon immer wieder nah dran. es ist intensiv, dicht, lebendig.

MACALÉ “ich mache, was ich will”

dazwischen begegnungen, die bleiben. ich treffe MACALÉ in rio de janeiro. seine freigeistigkeit, seine kompromisslose künstlerische haltung imponieren mir tief. geister, die sich nicht um grenzen kümmern, sondern sie eigensinnig neu zusammensetzen, ruhig, klar, stimmig. solche treffen sind geschenke. dass MACALÉ später, am 17.11.2026, sterben wird, weiß ich in diesem moment noch nicht…

der frühsommer bringt einen wechsel der perspektive. JUNI. ich bin beim BERLIN MUSIC VIDEO AWARD wegen SHOOTING STAR. und ich merke sehr schnell: das ist nicht mein natürlicher raum. alles ist schnell, flackernd, schlaglichtartig, pushy. provokation, tempo, dauerreiz. mir fehlt die ruhe, die souveränität. ich nehme das nicht als abwertung, eher als klare erkenntnis. haltungen sollten schillern – ruhig und souverän. das ist mein tempo. mein blick. mein weg.

und dann, gegen ende des monats, ein moment, der überraschend viel öffnet. 27/6. ich trete erstmals mit eigenem teilplayback auf. bass, schlagzeug – von mir selbst angelegt. ein schritt, den ich lange vor mir hergeschoben habe. und plötzlich stehen die lieder anders da: gelassen und gleichzeitig intensiv. geerdet. das feedback ist stark, ehrlich, ermutigend. ich spüre sofort: da liegt etwas. in zukunft werden mehr lieder von mir nachkomponiert, weitergedacht, in allen instrumenten. so, wie ich sie vor meinem inneren auge sehe, vor meinem inneren ohr höre. so, wie sie intuitiv für mich schillern wollen.

im juli dann wieder mehr nähe zur kunst. 4/7 gallus offenes atelier – eintauchen in die werke, spielen vor menschen, die offen sind, neugierig, denen vielfalt nicht fremd ist. es inspiriert mich und gibt mir ruhe, energie, licht. TROP SERIEUX startschuss der reise nach bLuzLand erhält am 7/7 sein eigenes video. am 12/7 das erste konzert mit meiner band im KGB. idyllisch, flockige neue musik, improvisation. wer hätte gedacht, dass freigeistigkeit so spontan fließen kann? plötzlich entstehen musikräume, die atmend, leicht und zugleich intensiv sind. das erste mal, dass wir zusammen live spielen, und die energie trägt uns.

im august beginnt ein neuer klangraum: julakim Löwe. 5/8. die formation kategorisiert sich nicht und wenn dann eher NEUE MUSIK. nach 13 jahren gemeinsamer klangreisen mit PIANÖ, Löwe’s „Straßenkind“, bringen wir es in die totale entspannung – eine performative beerdigung im HoffArt-Theater. letzte dialoge zwischen mensch und instrument, getragen von freier improvisation, stille, tiefe, resonanz. radikale empfänglichkeit, präzise unschärfe. wahrnehmung bleibt offen, durchlässig, transformierend. julakim Löwe verdichtet weltlesen zu klang-, text- und bildkompositionen, die nicht beantworten, sondern resonanzräume schenken. am 16/08 rockbase im parkside studios offenbach – mal richtige festivalstimmung mit der band!

der september wird politisch, poetisch, experimentell. am 9/9 veröffentliche ich das video zu ICH WEIß NICHT – erste auslotung der philosophie bWeg… nach bLuz. bLuzWAI hat nicht vollständig gestimmt, jetzt beginnt ein neuer weg. und für julakim Löwe schreibe ich drei akte: MIR LÄUFT DAS WASSER NICHT MEHR IM MUNDE ZUSAMMEN.

der erlensee als spiegel der gegenwart, wasser als frage von zugang und entzug, der wald als resonanzraum. klang, text, körper verhandeln die welt, fragmentarisch, improvisierend. das publikum ist nicht zentrum, sondern zeuge. es gibt keine erlösung, keinen höhepunkt, nur verharren, aushalten, echo. was sich spiegelt, bleibt ungreifbar, was sich nähert, verändert den raum. keine geschichte, kein bild, nur moment, impuls, zustand, der zwischen anklage und abwesenheit vibriert, zwischen schall und stille, zwischen mensch und umgebung. hier ein geheimer appetizer.

und dann 24/9, arte tv: plötzlich eine anfrage. ich sei doch auch musikerin, denn als architektin erzählte ich etwas über die zeit nach dem 2. weltkrieg, DARMSTÄDTER GESPRÄCHE und ferienkurse. ich – als musikerin – improvisiere spontan ICH WEIß NICHT auf dem flügel oder wohl besser im flügel. videotapes und tischtennisbälle sind meine mitspieler. ausgestrahlt erst nächstes jahr, aber ich dachte, ich lasse schon jetzt Euch flügel der fantasie wachsen, was das wohl für ein raum sein könnte.

der oktober gleitet wie ein vorbereitender atemzug. die letzten monate des jahres summen schon im hintergrund, gedanken, klänge, vorbereitungen. ich spüre die bündelung, die auf das novemberlicht zuläuft.

NOVEMBER, mein geburtsMONAT, entfaltet sich wie ein ganzes festival der sichtbarkeit. letztes jahr noch bLuzLand – die transluzente gelbe schallplatte des lichtuniversums der dualitäten mit der bLuz?-Landkarte. dieses jahr entsteht etwas anderes, wieder etwas fassbares. es manifestiert sich: eine ausstellung zu meiner feministischen funk-swing-hymne: VERSEHEN – FASSBAR GEMACHT. am 11/11 enthülle ich das video AUS DEM WEG – lichtreflexionen, aufgenommen von rasool pirhooshyar. die bilder flimmern, transportieren den song in räume, die nur teilweise zu greifen sind. am 17/11 die erste FemJam im staatstheater, mit klang, ton, berührung. die ORANGE DAYS werden lebendig. 25/11: kick-off in darmstadt, filmkreis, ein weiterer funke, der sich übers land verteilt.

26/11 beginnt die ausstellung. parkside studios offenbach werden zum raum von gelben körpern und schwarzen botschaften. dutzende frauen*, mädchen*, 5 bis 80 jahre, lassen ihre hände sprechen, ton, worte und körper treten in dialog. kristiane rönsberg und ich formten die ersten funkengeberinnen, gelb lasiert, schwarz versehen. die funkengeberin trägt flüchtige gedanken auf der haut: „aus versehen war sie mit geist versehen | man verzieh ihr das nicht, übersieht es nur“. der aufruf springt von atelier zu atelier, keramikerinnen, frauen*, die mit erde und feuer vertraut sind. die mädchen-etage, staatstheater darmstadt, heliand-pfadfinderinnen, hörnixe – alle verbunden, alle im fluss.

die installation ist kein objekt, sie ist haltung. gelbe t-shirts hängen mit inversen abdrücken aus dem stadtbild, gelbe kostüme schweben in lebensgröße, antike und moderne skulpturen flimmern nebeneinander. filmamazone, projiziert und körperhaft, verhandelt heldinnentum und selbstbestimmung, ruhig und unerschütterlich. jede figur ein lichtpunkt, jede form funkelnder stern, gemeinsam ein chor, der nicht laut sein muss, um unüberhörbar zu sein. sichtbarkeit, verhüllung, macht, kontrolle, widerstand, zartheit und wut – alles spürbar, alles sichtbar.

am 29/11 dann wieder musik: julakim band spielt in den parkside studios. die klänge verbinden sich mit dem raum, den figuren, der energie der ausstellung. ton, körper, licht – alles verschränkt, resonanz- und reflexionsräume entstehen.

DEZEMBER bringt abrundung, ein ausklang… 10/12 finissage, VERSEHEN – FASSBAR GEMACHT wird erkundet, klanglich, körperlich, abstrakt. 12/12 offenbacher post berichtet über das kollektive kunstwerk: gegen unsichtbarkeit, gegen unterdrückung. druck, formen, halten – unsagbares wird greifbar. schwarze spuren erzählen von sexismus, gewalt, verdrängung. der artikel ist auf meiner website nachzulesen. die figuren bleiben, die haltungen bleiben, das schillern bleibt. und ich gehe weiter, getragen vom licht, von musik, von den vielen stimmen, die diesen raum beleben. den ganzen artikel lesen?